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Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. Ein Blickpunkt zwischen Spanien und Deutschland.

Im Mai 2019 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Arbeitgeber eine Einrichtung für eine „objektive, verlässliche und zugängliche Arbeitszeiterfassung“ schaffen müssen. Im Rahmen der Umsetzung dieser Rechtsprechung hat die Arbeitszeiterfassung in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Dabei dient die ordnungsgemäße Aufzeichnung der Arbeitsstunden nicht nur dem Arbeitnehmerschutz, sondern es soll auch sichergestellt werden, dass Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für geleistete Arbeit abgeführt werden. Aus Arbeitgebersicht dient die Arbeitszeiterfassung als objektives Beweismittel, insbesondere in der Prozessführung gegen Zahlungsklagen des Arbeitnehmers.

In Spanien wurde bereits vor der Rechtsprechung des EuGH eine gesetzliche Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung eingeführt. Das Gesetz wurde im März 2019 verabschiedet und verpflichtet Unternehmen unabhängig von ihrer Größe dazu, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter genau zu dokumentieren.

Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

  • Es muss täglich die Anfangs- und Endzeit der Schicht aufgezeichnet werden.
  • Die Dokumentation kann mittels verschiedener Systeme oder Medien erfolgen, da das Gesetz keine Vorgaben bezüglich der Art der Arbeitszeiterfassung vorschreibt. Die Aufzeichnung ist daher sowohl in Papierform als auch in elektronischer Form möglich.
  • Dem Arbeitnehmer muss eine Kopie der Zeiterfassungen ausgehändigt werden und das Unternehmen muss nachweisen können, dass es ihm diese Informationen zur Verfügung gestellt hat.
  • Die Aufzeichnungen müssen über vier Jahre aufbewahrt
  • Hohe Führungskräfte die unter die unter dem Königlicher Erlass 1382/1985, der das besondere Beschäftigungsverhältnis von Führungskräften regelt sind nicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit verpflichtet.
  • Die anwendbaren Tarifverträge können die Form der Auszeichnungspflicht genauer regulieren.

Verstöße gegen die Aufzeichnungspflicht können mit Geldbußen von 626 € bis zu 6.250 € geahndet werden. Bei schwerwiegenden Fällen, wo systematisch Überstunden nicht aufgezeichnet und ausbezahlten werden, können die Sanktionen weitaus höher ausfallen.

In Deutschland ist die Arbeitszeiterfassung noch nicht umfassend geregelt. § 16 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzes sieht lediglich eine Dokumentationspflicht für Überstunden vor, die zwei Jahre aufbewahrt werden müssen.

Darüber hinaus hat das Bundesarbeitsgericht im September 2022 basierend auf den Vorgaben des EuGH entschieden, dass Unternehmen ein System einführen müssen, um die gesamte Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen. Diese Verpflichtung ergebe sich aus einer europarechtskonformen Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz, wonach der Arbeitgeber „für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen hat“. Aus dieser allgemeinen Aufgabe, ergebe sich die Pflicht des Arbeitgebers ein System zur Erfassung der Arbeitszeit bereitzustellen und dessen tatsächliche Nutzung zu überprüfen.

Inhaltliche Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung gibt es bislang mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht; es steht aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung lediglich das „ob“ der Verpflichtung fest.

Anders als in Spanien sieht das deutsche Recht derzeit keine Bußgelder für Verstöße gegen die Arbeitszeiterfassungspflicht vor. Die Bundesregierung plant aber gerade die Einführung einer gesetzlichen Regelung, um die aktuell bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen.

Nachdem die spanische Aufsichtsbehörde bei rund 33.000 Kontrollen im vergangenen Jahr in jedem dritten Unternehmen Verstöße gegen die Zeiterfassung festgestellt hat, bleibt das Thema insgesamt weiterhin relevant.

In Deutschland wurden allein im Jahr 2022 etwa 702 Millionen unbezahlte Überstunden geschätzt. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die mögliche Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung in Deutschland haben wird.

 

Valentin Happ

16.08.2023